Gibt es gute Ansätze, wie man den Kulturwandel von der Bring- zur Holschuld unterstützen kann?
Ich befürchte, dass eine rezeptartige Antwort nach dem Schema eines schrittweisen sequenziellen Vorgehens immer ins Leere laufen dürfte. Meine initiale Reaktion wäre es, zu versuchen, Vertrauen im Unternehmen zu fördern. Fragen Sie sich, was getan werden kann, damit Mitarbeiter in einem geschützten Umfeld eigenständige Entscheidungen allein und mit ihren Teams treffen können. Können Sie Regularien reduzieren und abschaffen? Wo können Sie Freiheitsgrade erhöhen und bürokratische Hürden abbauen?
Wo haben Sie in der Hierarchie Ihrer Organisation Unterstützer und wo Zweifler?
So ein Wandel kann nur von oben herab erfolgen. Wenn Sie sich in einem Sumpf von Vetternwirtschaft, Missgunst und Herrschaftswissen befinden, kann der nicht in einer Grassroots-Bewegung von unten revolutioniert werden. Im besten Fall sollte die gesamte Führungsmannschaft hinter einem solchen Kulturwandel stehen.
Dazu muss man verstehen, dass die Kultur nur das Abbild des Handelns im Unternehmen ist. Sie müssen also dafür sorgen, dass sich tatsächlich das Handeln in der Organisation verändert. Ein starkes System – und die meisten etablierten Unternehmen sind sehr starke Systeme – wehrt sich gegen Irritation von außen. So eine Änderung ist in besagtem Sumpf eine ebenso wenig willkommene Maßnahme wie eine Gehaltserhöhung für alle.
Besonders toxisch für eine gedeihliche Zusammenarbeit gestalten sich mit Geld unterlegte individuelle Zielvereinbarungen und Boni aus. Wenn Sie so was im Unternehmen noch haben, sollten Sie das unbedingt auf den Prüfstand stellen und systematisch abschaffen.
Was man meiner Meinung nach nicht machen muss, ist, die Mitarbeiter auf diese ganz neue Welt vorzubereiten. “Unsere Leute sind dafür nicht bereit”, höre ich da manchmal von Kunden. Ich frage dann gerne zurück: “Welche Leute meinen Sie konkret? Können Sie die mit Namen benennen? Zum Beispiel er hier neben Ihnen?” Nein, der daneben ist dann immer bereit. Und mit Namen will man auch keinen benennen. Man redet ja nicht schlecht über andere in deren Abwesenheit. Aber die Idioten scheinen immer eine undefinierte Masse in der Organisation zu sein, die man am besten nie sucht. Denn wenn man anfängt zu suchen, dann findet man sie nie. Man trifft immer nur auf ziemlich gescheite und coole Menschen. Ja, manchmal sind sie frustriert und haben schon jede Hoffnung aufgegeben, dass ein sinnvolles und vertrauensvolles Miteinander im Unternehmen real wird. Aber auch da kann man den meisten gar nicht so richtig böse sein. Denn irgendwie muss man mit dem alltäglichen Businesstheater ja auch klarkommen. Und wer nicht mithampeln will, der resigniert möglicherweise. Kompetente Mitarbeiter finden geeignete Bewältigungsstrategien.
Insgesamt finde ich solche Fragen schwierig, weil sie versuchen, einen riesigen Berg an einzelnen und kleinen Maßnahmen in eine Antwort zusammenzufassen. Wenn man die Sache etwas agiler angeht, kommt man viel leichter und schneller voran. Das würde ich so machen: Wir sind uns einig, dass im Unternehmen ein vertrauensvolles Miteinander herrschen kann, bei dem wir unseren Mitarbeitern alle Freiheiten geben, die sie brauchen, um eine gute Arbeit erledigen zu können. Kontrolle bzw. zentrale Steuerung ist unerwünscht und soll nur da betrieben werden, wo sie unvermeidlich ist, weil zum Beispiel Gesetze oder unumstößliche Regeln und Prinzipien eingehalten werden müssen. Das sind aber wenige.
Und jetzt überlegen wir mal, was der einfachste, kleinste nächste Schritt mit dem höchsten Wert für unseren Wandel wäre. Wir ändern nicht alles auf einmal. Wir gehen einen einfachen kleinen Schritt. Und wenn uns etwas zu groß erscheint, teilen wir es in kleinere Schritte auf, selbst wenn der kleine Schritt auf den ersten Blick zwar nett, aber irgendwie wirkungslos wirkt.
Und wenn wir so vorgehen und immer beherzt eine Sache anpacken, dann geht zwar nicht alles “schnell, schnell”. Aber es ist immer ganz einfach zu sagen, was viel bringt und nicht schwer umzusetzen ist. Und man kann etwas tun, was wirklich in eine Richtung zeigt, und muss nicht ewig diskutieren. Und mit dem zunehmenden Momentum der Sache und den positiven Erfahrungen in den ganz kleinen Zwischenschritten traut man sich und der ganzen Organisation automatisch immer mehr zu. Das ist einerseits ein tolles Gefühl und andererseits ein sich so stark selbst verstärkender Effekt, dass man irgendwann über den Mut der Entscheidungen in der Organisation überrascht ist.
Hat Ihr Unternehmen Zeit für diesen langen Weg? Viele verneinen das spontan. Aber ich befürchte, dass es dazu gar keine Alternative gibt. Schnell können Sie so was nur ändern, wenn Sie weniger als fünf Leute sind, alle 100 % überzeugt sind und es keine festen Strukturen gibt. Ich befürchte, dass das auf Ihre Organisation so nicht zutrifft.
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